Freitag, 31. Oktober 2008

16 x Betreutes Wohnen in Deutschland?! - Dank Föderalismus Zersplitterung in den Neuregelungen der Bundesländer -

Rechtsanwalt Dr. Lutz H. Michel MRICS Mitglied des wiss. Beirats des DIS Institut für ServiceImmobilien
Mit der Föderalismus – Reform und der damit verbundenen Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht auf die Bundesländer war zum 01.09.2007 der Startschuss für die landesrechtliche Gesetzgebung auch im Bereich des Betreuten Wohnens gegeben. Folge ist eine rege gesetzgeberische Tätigkeit der Länder, die auch das Betreute Wohnen als dankbares Betätigungsfeld gefunden hat. Vorreiter in der Gesetzgebungslandschaft sind Baden-Württemberg und Bayern, wo die neuen Landesheimgesetze bereits in Kraft getreten sind. Entwürfe gibt es in Berlin mit dem „Wohnteilhabegesetz“, in Nordrhein-Westfalen mit dem „Wohn- und Teilhabegesetz“, in Schleswig-Holstein mit dem „Selbstbestimmungsstärkungsgesetz“ im Saarland mit dem „Landesheimgesetz“. Überall findet sich Regelungen zum “Betreuten Wohnen“. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt liegen erste strukturierte Überlegungen ohne dezidierte Aussagen zum Betreuten Wohnen vor. In Hamburg gibt es erste politische Richtungsweisungen. In Rheinland – Pfalz und Mecklenburg – Vorpommern steht die Vorlage von Entwürfen an. Die anderen Bundesländer haben noch keine konkreten Überlegungen kommuniziert. Die vorliegenden gesetzlichen Regelungen und Entwürfe sehen höchst unterschiedliche Regelungen vor. Das zum 01.07.2008 in Baden – Württemberg in Kraft getretene Landesheimgesetz nimmt das Betreute Wohnen in § 1 Abs. 2 LandesheimG explizit von der Geltung des Gesetzes aus. Dabei findet sich im Gesetz eine Legaldefinition, die die in der Fachwelt anerkannte Begrifflichkeit des Betreuten Wohnens aufnimmt. Insofern rekurriert die Regelung auf das Begriffsverständnis des Qualitätssiegels Betreutes Wohnen in Baden-Württemberg wie aber auch der DIN 77800 – Betreutes Wohnen. Sie ist klar, transparent und unterliegt nicht der Versuchung, neue Grenzlinien zu ziehen und „Schutzlagen“ zu konstruieren. Die Anbieter in Baden-Württemberg können daher – wie bisher – unter Berücksichtigung des bisherigen Begriffverständnisses Betreutes Wohnen gestalten. Ähnliches gilt für das Bayerische Pflegequalitätsgesetz. Mangels „struktureller Abhängigkeit“ des älteren Menschen vom Anbieter wird in § 2 Abs. 2 PflegeqG das Betreute Wohnen von der Geltung des Gesetzes ausgenommen. Zur Begründung wird weiter zutreffend auf die vorhandenen Qualitätsmaßstäbe abgestellt. Die natürlich auch in Bayern gewünschte Qualität soll primär durch Qualitätswettbewerb gewährleistet werden. Dies bedeutet für Investoren wie die Wohnungswirtschaft, dass in Bayern für derartige Angebote keine spezifischen öffentlich-rechtlichen Vorgaben gemacht werden. Im 1. Arbeitsentwurf des Berliner Wohnteilhabegesetzes wird Betreutes Wohnen gem. § 3 Abs. 6 WtG ausdrücklich ausgenommen. Allerdings wird einerseits unscharf und unklar abgrenzend auf die „untergeordnete Bedeutung“ des Betreuungsentgelts im Verhältnis zur Miete abgestellt, andererseits soll aber die Sicherstellung eines Angebots von „Betreuung und Verpflegung“ unschädlich sein. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte Berücksichtigung finden, daß die Höhe der Betreuungspauschale in keiner sachlichen Korrelation zur Miethöhe steht, sondern Qualität und Leistungsumfänge im Einzelfall maßgeblich sind. Der nordrhein-westfälische Regierungsentwurf kann die zweifelhaften Lorbeeren einheimsen, nicht nur die umfangreichsten, sondern auch die kompliziertesten, intransparentesten und bürgerunfreundlichsten Regelungen zum Betreuten Wohnen zu beinhalten. Ausgangspunkt ist die These, auch beim Betreuten Wohnen durch Ordnungsrecht Schutz vor „struktureller Abhängigkeit“ schaffen zu müssen. Dabei wird erstens verkannt, daß Betreutes Wohnen eine „niedrigschwellige“ Betreuungskomponente hat, zweitens übersehen, daß die im Betreuten Wohnen relevanten Sicherheitsbedürfnisse der Bewohner nichts mit „Hilflosigkeit“ oder „gesteigerten Hilfsbedarfen“ zu tun haben, und drittens mißachtet, daß Grenzen für „unschädliche“ Betreuungspauschalen – wie oben angesprochen – nicht sachdienlich sind. Sollte der Entwurf Gesetz werden, so werden faktisch weite Bereiche des Betreuten Wohnens dem Ordnungs- gleich Heimrecht unterstellt. Daß dies dringend der Überarbeitung bedarf, kommt auch in den Stellungnahmen zur Öffentlichen Anhörung im Landtag am 10./11.09.2008, die sich mit dem Betreuten Wohnen beschäftigen, beredt zum Ausdruck. Die größten Probleme kommen bei einer derart weiten und zugleich komplizierten und daher unscharfen Regelung auf die Wohnungswirtschaft zu. Der Gesetzgeber sollte sich die artikulierte Kritik von allen Seiten zu Herzen nehmen. In Schleswig – Holstein sieht § 9 Abs. 1 SbStG vor, daß für Betreutes Wohnen nur die allgemeinen Zielsetzungen der §§ 1 und 2 SbStG gelten insbes. mit den subjektbezogenen Schutzzielen der Sicherung der Würde des Menschen, der Förderung der Selbstbestimmung und der Teilhabe und das objektbezogene Ziel der „Sicherung einer Qualität des Wohnens, …, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entspricht“. Allerdings soll gem. § 9 Abs. 2 SbStG eine allgemeine Anzeigepflicht gelten. Im Saarland wird gem. § 1 Abs. 2 LHeimGS das Betreute Wohnen dann dem Gesetz vollumfänglich unterstellt, wenn Zweck der „Einrichtung“ die kombinierte Erbringung von Wohnen und von Betreuungs-, Pflege- und Verpflegungsleistungen ist und die Abnahme von Betreuung und Pflege vom Träger oder einem anderen verpflichtend ist. Dies ist beim „klassischen“ Betreuten Wohnen nicht der Fall. Allerdings findet sich in § 1 Abs. 4 LHeimGS eine komplexe, nicht sonderlich transparente Einbeziehungsnorm bzgl. Anlagen des Betreuten Wohnens, bei denen die „Grundleistungen“ von einem Anbieter abzunehmen sind und das Betreuungsentgelt unter der Grundmiete bleibt. Dies sollte dringend überdacht werden mit dem Ziel, das Betreute Wohnen aus der staatlichen Aufsicht vollständig herauszunehmen. Es gelten die ähnlichen Argumente wie im Fall Nordrhein – Westfalen. Als Resumé kann man dreierlei zur Zukunft des Betreuten Wohnens in den erwähnten Bundesländern festhalten: Erstens gibt es ein Süd – Nord / West – Gefälle in Bezug auf die Chancen für diese Wohnform. Zweitens haben die Gesetzgeber in Schleswig – Holstein und Nordrhein – Westfalen noch Hausaufgaben vor sich. Drittens sollten sich alle Länder an Folgendem orientieren: Die Politik hat richtigerweise den Grundsatz „ambulant vor stationär“ postuliert und es gibt volkswirtschaftlich betrachtet keine andere Lösung, als „vorstationäre“ Wohnformen zu fördern. Das verbietet, eine „Wohn“ – Form gesetzlicher Regelung zu unterstellen, bei der es einerseits nicht die vielzitierte „strukturelle Abhängigkeit“ des selbstständig und eigenverantwortlich handelnden Mieters (nicht etwa pflegebedürftigen und der ständigen Bereuung bedürftigen Heimbewohners!) gibt und andererseits gerade deswegen kein spezifischer staatlicher Handlungsbedarf besteht, weil es bereits (Branchen-) Standards gibt, die für Transparenz und Qualität im Interesse des Verbrauchers sorgen können. Allenfalls könnte die Landesgesetzgebung hierauf Bezug nehmen im Sinne eines neg. Abgrenzungsmerkmals, z.B. in dem Sinn, daß Anzeigepflichten und ggfls. behördliche Kontrollpflichten dann bestehen, wenn die durch diese Qualitätsmaßstäbe vorgegebenen Angebotsstrukturen nicht gewahrt sind und auch die existenten qualitativen Mindeststandards nicht eingehalten werden. Dies würde beides verbinden: den „Druck“ auf die Anbieter, Qualitätsmaßstäbe einzuhalten und sich ggfls. freiwillig zertifizieren zu lassen, und die Erhaltung und Schaffung von Freiräumen für Investitionen in eine politisch gewollte, zukunftsfähige Wohnform für ältere Menschen – und zwar seien es Investitionen in die Immobilien oder in entsprechende Dienstleistungsangebote. Baden – Württemberg und Bayern bieten insofern nachahmenswerte Beispiele.